Sport – Dieser Begriff hat leider erst viel zu spät Einzug in mein Leben und vor allem in mein Bewusstsein gehalten. Die ersten 20 Jahre meines Lebens war ich zwar sportlich nicht wirklich inaktiv, persönlich würde ich meine Aktivitäten jedoch eher in die Kategorie Spiel einordnen. In diesen Jahren war Radfahren (um von A nach B zu kommen) und Tanzen (auf Tanzschulniveau) alles an Bewegung, die ich gemacht habe.
Erst nach dem Eintritt ins Berufsleben und dem sich daraus ergebenden neuen Freundeskreis ergaben sich die ersten wirklichen sportlichen Momente. Es zeigte sich auch sehr bald, dass ich meine motorischen Ambitionen auch gleich immer extrem umsetzen musste. Ich begann intensiv Rad zu fahren (Wiener Hausberge) und bereits nach drei Monaten bin ich mit dem Rad nach Italien (Triest – 505km) gefahren. Ich begann in einem Fitness-Center zu trainieren und konnte mich nach dem ersten Training drei Tage nicht aufrecht bewegen. Ich begann mit dem Turniertanzen (zuerst Standard und Latein, später Rock’n Roll-Akrobatik) und verübte eine Partnerin nach der anderen, weil keine meinem Trainingseifer und -stil gewachsen war. Dieser Ehrgeiz zieht sich seitdem durch alle Sportarten, die mir über den Weg gelaufen sind.
Bereits 1995 haben mir Freunde vom Jedermann-Zehnkampf in Wien erzählt. Von diesem Zeitpunkt an wollte ich diesen Bewerb unbedingt selbst einmal mitmachen. Es dauerte trotz allem 5 Jahre bis es im Jahr 2000 – zum Milleniums-Zehnkampf – wirklich dazu gekommen ist. Da ich bereits von Haus aus einen umfangreichen Trainingsplan hatte (Squash – 1x/Woche, Volleyball – 6-8Std/Woche, Aerobic – 2-4Std/Woche, Ausdauertraining – 3-4Std/Woche) fühlte ich mich gewappnet um dieses Unternehmen anzugehen.
Dienstag, 4. April 2000: Der Tag des ersten offiziellen Trainings im Happel-Stadion. Die Trainingsmöglichkeiten im Winter habe ich bereits versäumt, da ich zu spät davon erfahren habe. Ich gehe mit gemischten Gefühlen zu diesem ersten Termin. Ich habe in meiner sportlichen Laufbahn schon viele Trainer und Trainingseinheiten erlebt. Und leider waren nur wenige wirklich Gute dabei. Bei einem so großen Event und der geplanten Teilnehmerzahl von über 1000 habe ich mir von diesem Training nicht sonderlich viel erwartet. Also wollte ich mir die Grundlagen ansehen und dann nebenbei selbst trainieren. Die erste Überraschung: Es waren eigentlich weniger Leute da, als ich befürchtet habe. Die Gruppe ist eigentlich überschaubar und zum Glück sehen die meisten der anderen auch eher skeptisch dem Treiben beim Training zu. Dann die nächste Überraschung: Der große Kerl, der da unser Training leitet ist doch tatsächlich Georg Werthner persönlich. Und eigentlich gibt es dann auch weiterhin nur positive Überraschungen. Das Aufwärmen bestand zum wesentlichen Teil bereits aus wichtigen Übungen zur Laufschule. Das Kennenlernen des Belages im Stadion war für mich auch eine interessante Erfahrung und beim Laufen darauf gab es für mich einige Aha-Erlebnisse. Danach bestand die Möglichkeit einzelne Disziplinen unter der Führung eines Trainers zu erlernen. Meine erste Disziplin war der Hürdenlauf – wie ich später erfahren habe, eine der technisch höchst anspruchsvollen Bewerbe.
Nach diesem Training waren mir 2 Dinge klar: Das Training ist didaktisch auch (oder gerade) für Anfänger ideal. Ich habe selten ein so gutes Training besucht. Wer die Leichtathletik als Sportsparte zu einer Randsportart macht, sollte unbedingt einmal die einzelnen Disziplinen versuchen. Mein Respekt vor den Leichtathleten und insbesondere vor den Zehnkämpfern ist gewaltig gestiegen.
Von da an habe ich nur mehr ein einziges Dienstag-Training versäumt. Trotzdem habe ich jede Disziplin nur einmal trainieren können. Im Zuge dieses Trainings haben wir Jedermann-Zehnkämpfer so ziemlich jeden Leichtathleten als Trainer kennengelernt, der in Österreich von Rang und Namen ist (Ich möchte hier keine Namen nennen, denn irgendjemand wichtigen würde ich mit Sicherheit vergessen). Ich weiß nicht, wie Georg Werthner das macht, aber er stellt die komplette österreichische Leichtathletik in den Dienst seiner Sache. Trotz dieser gigantischen Betreuung steigt mit jeder Woche meine Nervosität. Je näher der Termin des Wettkampfes kommt um so mehr werde ich mir meiner eigenen Unzulänglichkeit in Punkto Leichtathletik bewusst. Zur eigenen Beruhigung habe ich mir immerhin schon Laufspikes gekauft. Vor einer komplexen Disziplin habe ich aber immer mehr Angst – dem Stabhochsprung. Da ich diese Angst sichtlich mit vielen anderen teile, sind die Trainingseinheiten zu diesem Bewerb immer etwas überlaufen. Also wende ich mich schlussendlich an Georg Werthner persönlich um ihn zu fragen, was ich diesbezüglich machen soll. Er vermittelt mir einen Trainer, den ich mir in meiner Panik zu einer Privateinheit bestelle. Andjzei Ptak – einer der österreichischen Spitzentrainer was Stabhochsprung anbelangt, verhilft mir zu meinen ersten Erfolgserlebnissen bei diesem Bewerb. Danach lege ich noch zwei komplette Trainingstage ein (der völlige Wahnsinn aus trainingstechnischer Sicht – aber immerhin habe ich noch alle Disziplinen noch einmal geübt). Meine eigenen Erwartungen habe ich in den letzten 3 Monaten gehörig zurückgeschraubt. Hatte ich am Anfang noch geglaubt, dass ich die 3000-Punkte locker überspringen kann, so nehme ich jetzt nur mehr 2500-Punkte ins Visier. Dies zum einen auf Grund des Respektes, den ich aufgebaut habe, zum anderen aus den Ergebnissen der Trainingseinheiten.
DER ERSTE WETTKAMPFTAG
Meine 100m-Startzeit ist 13:20, ab 11:30 bin ich im Stadion. Erste Unruhe macht sich breit. Aus Interesse starte ich meinen Pulsmesser und lasse ihn den ganzen Tag durchlaufen. Um ca. 12:30 lerne ich die anderen Mitglieder meiner Gruppe kennen. Diese Gruppe setzt sich aus wahren Zehnkampf-Enthusiasten zusammen. Viele mehrfache Teilnehmer sind darunter, Teilnehmer die auf jedes Trainingslager fahren. Daraus erklärt sich vielleicht auch, dass wir nicht irgendein Betreuerteam bekommen: Unsere Betreuer sind die Mitglieder der österreichischen Zehnkampf-Nationalmannschaft inklusive Nationaltrainer. Es beruhigt mich ja irrsinnig, dass die Kerle alle um mindestens einen Kopf größer sind als ich.
13:20: Es wird ernst, das Aufwärmen haben wir hinter uns, unsere Gruppe wird zum 100m-Start gebeten. Mein Ruhepuls liegt bei 50, vor dem Start liegt er bei 91. Ich habe nie einen Tiefstart mit fremden Startkommando geübt, ich habe keine Ahnung ob ich mir die Startblöcke richtig einstelle, aber irgendwie muss es jetzt einfach gehen. 13,38 Sekunden später ist alles wieder vorbei. Die Zeit ist 405 Punkte wert – weit mehr als ich mir erwartet habe. Nach diesem ersten Bewerb ist die Spannung etwas gewichen. In meinem Lauf wurde ich Dritter, nur zwei der alten Haudegen waren schneller als ich.
Für den zweiten Bewerb bin ich wenig zuversichtlich. Im Training habe ich Weitsprung nie 4,5m erreicht. Obwohl ich keinen Vergleichswert für diesen Bewerb hatte, so war ich davon doch etwas enttäuscht. Meinen erster Sprung im Wettkampf (es ist nun ca. 14:00) lande ich bei 4,28m. Nach dem Sprung bekomme ich einen Tip vom österreichischen Nationaltrainer. Mit einem um 8m verlängerten Anlauf springe ich im zweiten Versuch 4,55m. Der dritte Versuch bringt mit 4,44m keine weitere Verbesserung. Meine Bestleistung ist 299 Punkte wert.
Zum Kugelstoßen geht aus auf die Stadionnebenplätze. Irgendwie versuche ich diesen Bewerb nur irgendwie über die Bühne zu bringen. 7,3m – 325 Punkte sind das Ergebnis. Den anderen geht es scheinbar nicht viel besser. Kaum einer aus unserer Gruppe ist mit dem Ergebnis wirklich zufrieden. Nach dem alle ihre Würfe hinter sich gebracht haben stößt noch einer unserer Betreuer. So locker aus dem Stand und ohne Aufwärmen erzielt er eine großer Weite als wir Jedermänner.
Zum Hochsprung geht es wieder zurück ins Stadion. Zum Glück habe ich mich selbst nie bei dieser Disziplin gesehen. Meine Haltung entspricht so überhaupt nicht meinen Vorstellungen wie so ein Sprung auszusehen hat. Aber die Fotos davon habe ich ja ohnehin erst hinterher gesehen. Trotzdem spornen mich die einzigartige Atmosphäre im Stadion und die Kameradschaft innerhalb der Gruppe zu einer persönlichen Bestleistung an: 1,52m – 404 Punkte.
Nach dem Hochsprung wird mir zum ersten Mal bewusst, wie müde mein Körper bereits ist. Der Wettkampf hat vor knapp 4 Stunden begonnen. In dieser Zeit haben wir die ersten vier Bewerbe hinter uns gebracht und auch zwischen den einzelnen Disziplinen war kaum eine echte Pause, immer ging es gleich zum Aufwärmen für den nächsten Bewerb. Beim Gedanken an den noch kommenden 400m-Lauf wird mir ein wenig mulmig.
18:30: Start zum 400m-Lauf. Im Vorfeld haben wir viel davon gesprochen, wie jeder sein Rennen anlegen wird. Auch in den Monaten vor dem Wettkampf habe ich mich in Büchern und im Internet umgesehen, um eine Taktik für den Lauf zu finden. Jetzt, nach dem Startschuss heißt es nur mehr Laufen was das Zeug hält. Ich starte auf der Bahn 5 und habe daher noch zwei Läufer auf den Außenbahnen im Sichtfeld. Vor dem Start ist meine Hoffnung, dass mich am Ende des ersten Bogens noch niemand von den Innenbahnen überholt hat. In dieser ersten Phase gelingt mir mehr, ich überhole noch innerhalb des ersten Bogens beide Läufer auf den Bahnen 7 und 8. Dann die ersten langen 100m nur gerade. Am Ende dieser geraden bin ich, zu meiner eigenen Überraschung noch immer in Führung. Aber ich weiß auch, dass ich dieses Tempo nicht noch 200m durchhalte. Trotzdem kann ich nicht bewusst die Geschwindigkeit zurücknehmen und laufe weiter so schnell es eben noch geht. Und auch am Ende des zweiten Bogens bin ich noch immer in Führung. Bis ins Ziel schaffte es dann in meinem Lauf auch nur mehr ein Läufer mich noch zu überholen. Die letzten Meter ins Ziel sind eine Qual und mein Tempo ist nahezu Null. Zwei, drei Schritte nach dem Ziel bleibe ich stehen. Mit 60,96 Sekunden – 381 Punkten habe ich auch hier mein geplantes Ziel bei weitem übertroffen.
Nach dem Lauf setzen zwei Dinge ziemlich gleichzeitig ein: Zum einen ein wahnsinniges Glücksgefühl diesen ersten Wettkampftag überstanden zu haben. Und zum anderen die totale Erschöpfung. Der letzte Bewerb – der 400m-Lauf – hat den letzten Rest an Energie aus meinem Körper gepumpt. Minutenlang liege ich nur da und versuche das Glücksgefühl über die Erschöpfung siegen zu lassen.
Die anderen, bereits Zehnkampferfahrenen nehmen mich zu einem ausgiebigen Auslaufen auf die Nebenplätze mit. Dieses Auslaufen ist wirklich unbedingt notwendig. Wenn der Körper jetzt die Zeit und Gelegenheit hat in jeden beanspruchten Muskel gleich einmal eine gehörige Portion Milchsäure zu füllen, so kann man sich am zweiten Tag sicher nicht sonderlich optimal bewegen. Also laufen wir noch brav unsere Runden. nach dem anschließend Dehnen geht es dann für mich nur mehr in die Pizzeria – Nudeln sollen ja bekanntlich Kraft geben. Am Abend werde ich von meiner Lebensgefährtin massiert und eingerieben. Mich wundert, dass sie das nach meinen ständigen Quälereien mit dem Zehnkampf überhaupt noch macht. Ich kann mich an dieser Stelle nur noch einmal für die mir entgegengebrachte Geduld bedanken. Die Aufregung des Tages lässt mich zwar nicht gleich einschlafen, ich schlafe dann aber dann doch tief und fest.
DER ZWEITE WETTKAMPFTAG
Beim Aufwachen geht es mir besser, als ich das erwartet habe. Mein Körper ist zwar müde, aber durchaus gebrauchbar. Daher kann ich also meine ganze Energie wieder in die aufkeimende Nervosität stecken. Seltsamerweise bin ich heute aufgeregter als vor dem ersten Tag. Um 10:00 bin ich im Stadion, um 10:30 starte ich wieder meine ganztägige Pulsmessung.
Startzeit für den Hürdenlauf ist 10:50. Schon beim Training war mir klar, dass dieser Bewerb vom technischen Anspruch einer der schwierigsten sein wird. In keinem Training habe ich in Folge mehr als 5 Hürden übersprungen und niemals ist dabei eine Zeit gestoppt worden. Jetzt sitze ich hier in meinem Startblock und schaue nach vorne. Ein schier unüberwindlich scheinender Wald an Hürden steht vor mir – der Blick ist atemberaubend und erschreckend zugleich. Die Startzeit und der Starter lassen keine weiteren Überlegungen zu. Ich laufe los und der Frust beginnt bereits nach der zweiten Hürde. Erstens sind schon fast alle auf und davon und zweitens merke ich, dass ich zwischen den einzelnen Hürden nicht richtig auf Tempo komme. Das Timeing der Schritte zwischen den einzelnen Hürden stimmt natürlich auch nicht. Mit 22,76 Sekunden und 164 Punkten gehe ich ins Ziel, die erste echte Enttäuschung für mich.
Für den nächsten Bewerb, den Diskuswurf, habe ich wahrscheinlich am meisten trainiert. Die Wurftechnik mit der Drehung hat mir Spaß gemacht und deshalb habe ich sie auch oft genug wiederholt. Im ersten Wurf schaffe ich 19,46 m. Leider ist das dann aber auch schon mein bester Versuch. Den zweiten Wurf setze ich in den Fangzaun, der dritte landet bei 18,46 m. Damit bekomme ich für diesen Bewerb 263 Punkte. Auch wenn ich mir hier, schon nach den ungefähren Weiten aus dem Training, nicht wirklich mehr erwartet habe, so war ich trotzdem etwas enttäuscht – auch wenn ich mir das zu diesem Zeitpunkt selbst nicht eingestanden habe.
Vor dem Stabhochsprung haben wir eine etwas längere Pause. Der Bewerb startet erst um 16:30. Womit wir bei der nächsten Disziplin wären, die technisch der reine Wahnsinn ist. Ohne mein Spezialtraining mit eigenem Trainer (siehe oben) hätte ich wahrscheinlich sogar Angst vor diesem Wettbewerb gehabt. Aus dem Training kenne ich meine Grenzen: Die größte (und auch einzige) Höhe, die ich im Training übersprungen habe ist 2 m. Beim Zehnkampf wird ab 1,50 m in 20cm-Schritten gesteigert. Somit habe ich mir ausgerechnet, dass ich ca. bei 2,10 m meine Grenze erreichen werde. Und so war es dann auch tatsächlich, 1,90 m im 2. Versuch übersprungen, bei 2,10 m drei mal gescheitert. Leider ist diese Höhe nur 121 Punkte wert, aber hier habe ich mir wirklich nicht mehr erwartet.
Zum vorletzten Bewerb geht es für unsere Gruppe zum ersten Mal auf den Cricket-Platz (vis-s-vis Praterstadion). Dort absolvieren wir das Speerwerfen. Schon in der Schule war ich beim Schlagballwerfen immer einer der schlechtesten. Das lies mich auch für diese Disziplin nichts gutes erwarten. Beim ersten Training habe ich mir auch gleich eine leichte Zerrung in der Schulter zugezogen. Irgendwie mache ich bei Bewegungen dieser Art etwas grundlegendes falsch. Zwei mal trainieren ändert an diesen Voraussetzungen natürlich auch nichts. Ich weiß aber, dass ich meinen Arm nach diesem Bewerb nur mehr beim Laufen hin- und herschwingen muss und gebe daher mein Bestes. Leider ist das in diesem Fall nicht sonderlich viel: Der beste Versuch landet bei 24,98 m – 229 Punkte fürs Zehnkampfkonto.
Nur noch ein Bewerb, nur noch einmal quälen. Das dafür aber gleich über 1500 m oder 3 3/4 Stadionrunden. Die anderen schockieren mich mit ihren Gesprächen über Rundenzeiten und Taktik. Ich habe einfach nur vor diesen Lauf zu überleben. Na ja, eine Zeit von 6 min habe ich mir vorgenommen. Um ein Gefühl für die dafür notwendige Geschwindigkeit zu bekommen habe ich dieses Tempo auf dem Laufband im Fitness-Center ausprobiert. Das ist jetzt mein einziger Anhaltspunkt und so laufe ich nach dem Startschuss dann auch los. Die ersten 600 m bin ich dann ziemlich verwirrt. Ich führe die Gruppe an und 1 1/2 Runden überholt mich niemand. Ich mache mir ernsthaft Sorgen über meine Tempoeinteilung. Einige Läufer meiner Gruppe haben Bestzeiten unter 5 min und diese Zeit ist für mich unerreichbar. daher versuche ich mein Tempo bewusst zu verlangsamen um mich nicht zu schnell zu verausgaben. Als mich dann endlich ein Gruppe von drei Läufern überholt, sind die so schnell an mir vorbei, dass ich nicht einmal versuchen kann, deren Tempo mitzuhalten. Bis zur letzten Runde versuche ich dann nur mehr mein eigenes Tempo zu halten. In dieser Zeit habe ich einen anderen Läufer als Schatten hinter mir. Der ist eine Bekanntheit unter den Jedermann-Zehnkämpfern und wird von allen Seiten angefeuert, irgendwie frustrierend, dass immer nur der Läufer hinter dir angefeuert wird. Aber da steht ja noch meine Mutter am ersten Rang der Zielkurve. Sie schreit und winkt so heftig, dass ich Angst habe, dass sie das Gleichgewicht verliert. Am Beginn der letzten Runde werde ich dann von meinem Schatten überholt und ich habe nicht mehr den Mut mich an ihn anzuhängen. So geht er schlussendlich 15 Sekunden vor mir durchs Ziel. Meine Zeit ist 5 min 46,33 Sekunden, mein Ziel habe ich damit klar unterboten. Mit 323 Punkten erreiche ich damit am 2. Wettkampftag auch das einzige Ergebnis über 300 Punkte.
Nach dem Zieldurchlauf kann ich nicht stehen bleiben, mein Körper bewegt mich weiter, erlaubt kein niedersetzen. Langsam beginne ich zu realisieren, dass es nur vorbei ist. Ich habe den Milleniums-Jedermann-Zehnkampf 2000 beendet, überlebt. In diesem Moment sind die Punkte und Zeiten völlig egal. Jeder Teilnehmer beglückwünscht den anderen. Keiner beginnt in diesem Moment mit dem ausrechnen der Punkte. In meinem Gehirn fehlt zu diesem Zeitpunkt ohnehin der dafür notwendige Sauerstoff. Erst langsam beginnen wir uns für die Zeiten und Punkte zu interessieren. Schlussendlich beschließe ich den Wettbewerb mit 2914 Punkten als 7. in meiner Gruppe. Insgesamt werde ich 286. (von 1011 Teilnehmer).
RESÜMEE
Im Gegensatz zu anderen sportlichen Erfolgen, die ich im Rahmen meiner sportlichen Aktivitäten gesammelt habe, wirkt dieser Wettkampf auch heute noch nach. Auch jetzt, fast drei Monate nach dem Zehnkampf, bin ich noch immer stolz auf die Beendigung der 10 Bewerbe. Ich habe für mich völlig neue Sportarten kennen gelernt und das Zusammenspiel oder vielmehr die Verschiedenheit der einzelnen Sparten der Leichtathletik erfahren. Und ich kann nun auch viel besser den Ausspruch des schwedischen Königs verstehen, den dieser zu Jim Thorpe, dem Olympiasieger von 1912 sagte:
Sie sind der König der Athleten!